THEORIE DER KOMIK Über die komische Wirkung im Theater und im Film von GOTTFRIED MÜLLER Illustrationen von Horst Kranke KONRAD TRILTSCH VERLAG WÜRZBURG

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Für die Praxis des Filmateliers und der Bühne, für Funk und Fernsehen, für die
Arbeit der Autoren und der Dramaturgen ist Gottfried Müllers Theorie der
Komik genau so ein Glücksfall, wie es seine Dramaturgie gewesen ist. Täglich
stehen wir Regisseure und Schauspieler vor der Entscheidung, auf welchem
von mehreren sich anbietenden Wegen eine komische Wirkung oder eine
Pointe wohl am sichersten zu landen sei. Praktiker haben sich häufig aus ihrer
Erfahrung einen bestimmten Trick entwickelt, den sie immer wieder, in
Variationen und teils mehr, teils weniger bewußt anwenden. Aber Regeln und
Rezepte gab es bisher nicht. Bei manchen meiner Kollegen, z. B. bei dem
berühmten Regisseur und Autor unzähliger, noch heute gespielter,
erfolgreicher Schwänke, bei Ernst Bach, ist eine Systematik nicht nur in der
Dramaturgie des Komischen, sondern auch bei seiner Regie erkennbar
gewesen. So ließ Bach den Komiker Walter Lantzsch in seinem Schwank „Der
keusche Lebemann“ beim zweiten Aktschluß hintereinander viermal bis drei
zählen, in Gedanken natürlich, aber in langsamerm, gleichmäßigem
Rhythmus: Beim ersten Zählen hatte Lantzsch überrascht auf die Umarmung
der Schauspielerin zu sehen, beim zweiten Mal mußte er sich mit dummem
Gesicht zum Publikum drehen, während des dritten Zählens setzte er sich
langsam auf einen Sessel und während des vierten „eins, zwei, drei“ rutschte
er vom Sessel auf den Fußboden. Während der ersten Phase gluckste das
Pulikum vor Überraschung, bei der zweiten begann es zu lachen, bei der
dritten schwoll das Lachen zum Orkan und während des vierten Zählens, beim
Hinunterrutschen, brach der Szenenapplaus hervor, in den hinein der Vorhang
fiel. Die Wirkung war genau berechnet und klappte immer. Warum es so war,
das könnte Bach, wenn er noch lebte, in Müllers „Theorie der Komik“
nachlesen. Diese Theorie ist nämlich, genau wie die „Dramaturgie“, aus der

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